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Thüringentag Medien & Ethik

Täuschung als Geschäftsmodell

17.06.2012

Der 7. Thüringentag Medien & Ethik befasste sich in diesem Jahr mit dem Thema „Die große Illusion – Was machen die Medien mit unserem Weltbild?“. Im ersten Vortrag stellte Frau Prof. Simone Dietz von der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf die These auf, dass das Publikum gar nicht zwischen Wahrheit und Fiktion unterscheiden will. Die Wahrheit könne scheitern an mangelnder journalistischer Sorgfalt, an anderen Einflüssen wie etwa der Auflage des Mediums sowie auch am Publikum und an seinem fehlenden Interesse an der Wahrheit. Frau Dietz nannte dann fünf wichtige Kriterien, an denen sich eine intakte mediale Öffentlichkeit messen lassen muss:

  1. Pluralität,
  2. am Vertrauen in die Institutionen,
  3. an der Relevanz der Informationen was auch die Ablehnung von Trash in den Medien einschließt,
  4. an der Relevanz der Kritik,
  5. an der Medienkompetenz, die nicht allein vom Publikum zu erbringen sei. Die öffentliche Kommunikation müsse auch in den und über die Massenmedien stattfinden.

Frau Dietz betonte den sozialen Druck des Internets: Wo alle sind, muss man auch sein. Daraus ergebe sich eine Arroganz der Macht. Manche forderten zwar gerne eine totale Transparenz, meinen damit jedoch nicht sich selbst, sondern operieren aus einer verdeckten Position. Schließlich forderte Frau Dietz, den Opfern mehr Rechte einzuräumen. Das schließe wirksamere Instrumente über die freiwillige Selbstkontrolle hinaus ein. Prof. Hans-Jürgen Weiß vom Göttinger Institut für angewandte Kommunikationsforschung in Potsdam sprach über Scripted Reality-Formate. Die Täuschung als Geschäftsmodell sei extrem erfolgreich. Bis zu 9 Stunden täglich bieten Privatsender diese Formate an. Es ist schon bemerkenswert, so Weiß, dass die Bertelsmann-Stiftung sich gerne als das deutsche Ober-Kultusministerium aufspielt, wonach sie für alles Wahre und Gute zuständig sei – aber gleichzeitig verdiene Bertelsmann mit seinen RTL-Sendern viel schmutziges Geld. Prof. Weiß nannte einen wichtigen Drei-Schritt: Von der Realität über die Inszenierung zur Fernsehrealität. Dabei würden die Grenzen zwischen den Formaten aufgehoben – wobei bei zunehmender Fiktionalisierung zugleich das Dokumentarische betont werde. Es werde also der Schein erweckt: „Das ist echt.“ „Camouflage“ sei das Prinzip der Scripted-Reality-Formate, so Weiß weiter. Es würden alle Register gezogen, um den fiktionalen Charakter zu verbergen. Indem die Veranstalter den Zuschauer täuschen, sei dies letztlich ein Vertrauensbruch. Wichtig sind hier die Fragen zur Wirkung: Denn die Wahrnehmung von Fernsehangeboten als „real“ ist nicht egal: Wenn die Täuschung erfolgreich ist – ist sie dann auch folgenreich? Etwa darauf, wie die Welt wahrgenommen wird? Und wie die Welt aussehen soll? Den Vortrag finden Sie hier. Prof. Horst Pöttker von der Technischen Universität Dortmund schilderte, worüber Medien gerne schweigen. Für ihn ist gar nicht zu berichten ein schwereres professionelles Vergehen, als falsch oder verzerrt zu berichten. Er sieht die Gefahr, dass Staat und Wirtschaft sich zu einem politisch-ökonomischen Komplex verbinden und führte einige Fälle an, bei denen die Medien lange geschwiegen haben. Etwa bei den Missbrauchs- und Pädophiliefällen, oder beim Rechtsterrorismus. Weil es inzwischen viele Nachrichtenquellen gibt, so Pöttker, würde die Nachrichtenfunktion des Journalismus etwas verblassen. Die Orientierungsfunktion des Journalismus hingegen würde sich verstärken, was die gestiegene Auflage der „Zeit“ und der FAZ-Sonntagszeitung belegen würde. Moderne Gesellschaften brauchen Transparenz, so Pöttker. Schließlich sei die DDR auch an einem Mangel an Öffentlichkeit zugrunde gegangen. Die journalistische Orientierungsfunktion bedeute gerade auch, die Dinge transparent zu machen. 

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