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Sparzwang statt Pressefreiheit

Wenn PR unabhängigen Journalismus ersetzt

06.05.2014

Der Titel der gemeinsamen Veranstaltung von Friedrich-Ebert-Stiftung und DJV Thüringen im Erfurter Augustinerkloster provozierte bewusst. In ihrer einführenden Rede analysierte DJV-Landesvorsitzende Anita Grasse das Verhältnis von Journalismus und PR, sprach über wirtschaftliche Zwänge der Medien und der freien Journalisten, über Rahmenbedingungen, unter denen Journalismus entsteht, und über spaltbares Material. Die Diskutanten nahmen die Herausforderung dankend an. Obwohl mehrfach der Hinweis aus der Runde und aus dem Publikum kam, dass Pauschalurteile nicht weiterhelfen. Der Journalismus sei nicht schlecht und die PR nicht so gut, wie sie manchmal dargestellt würde. Walter Hörmann, Chefredakteur der in Südthüringen erscheinenden Tageszeitungen, erlebte in den vergangenen Jahren eine tiefgreifende Professionalisierung im Beruf. Weil es in Deutschland kaum eine Bedrohung der Pressefreiheit von außen gibt, komme es mehr auf die innere Haltung der Journalisten an. Aktuell sei man dabei, Redaktionsstrukturen zu überprüfen und Stärken von Journalisten zu fördern.Auch vor 20 Jahren seien Pressemitteilungen 1:1 abgedruckt worden, erinnerte Angelika Heyen von der Thüringer Landesmedienanstalt. Aus der Programmbeobachtung der beiden landesweiten Hörfunksender wisse sie, dass Pressemitteilungen häufig als Meldungen versendet werden. Insbesondere bei der Regionalisierung der Nachrichten sei das feststellbar. Der Polizeibericht sei sehr beliebt bei den Radiomachern. Der Stellenabbau in den Redaktionen habe Folgen, so Prof. Michael Haller vom Institut für Praktische Journalismus- und Kommunikationsforschung. Der Umfang der Inputverarbeitung nimmt zu, weil weniger Journalisten immer mehr machen müssen. Zwar sei eine Professionalisierung der Ausbildung feststellbar, das Wissen um die Funktion des Journalismus ist jedoch unterentwickelt. Irgendetwas mit Medien zu machen, reicht für eine Identifikation mit dem Beruf nicht aus. Für ihn kann Professionalität auch darin bestehen, eine Pressemitteilung aus sicherer Quelle ohne Partikularinteressen mit einer Überschrift zu versehen und ins Blatt/in die Sendung zu stellen. Das gehe nicht ohne Transparenz. Jedoch wird in mehr als der Hälfte der in Deutschland erscheinenden Texte überhaupt keine Quelle genannt. Diese Steilvorlage nutzte Uwe Büchner, Pressesprecher des Thüringer Sozialministeriums. Für ihn ist es nicht verwerflich, wenn mit Fakten angereicherte Pressemitteilungen veröffentlicht werden. Zum fairen Umgang miteinander gehöre es, nicht etwas in die Welt hinaus zu posaunen, was nur auf einer Quelle beruht. Er habe gelernt, zwei Quellen zu nennen, und während seiner Tätigkeit beim MDR oftmals bis zu fünf Quellen in seinen Hörfunkbeiträgen verwendet. Wird von dem Prinzip abgewichen, steigt die Gefahr, dass die politische Diskussion nicht mehr stattfindet. Der Deutsche Presserat, so Sergej Lochthofen, habe immer mehr Beschwerden zur Vermischung von Redaktion und Werbung zu bearbeiten. Nicht nur das Publikum ist kritischer geworden, die Schleichwerbung nimmt zu. Dem Journalismus stünden junge, frische PR-Fachleute mit guter Bezahlung gegenüber. Die beim Presserat eingehenden Beschwerden würden belegen, dass in Redaktionen weniger professionell gearbeitet wird. Wer universell einsetzbare Journalisten haben will, nimmt in Kauf, dass sie sich mit Themen beschäftigen müssen, die sie nicht ständig betreuen. Außerdem fehle die Kontrolle. Das zur Illustration verwandte Logo einer Partei unter dem Zeitungskopf einer in Thüringen erscheinenden Tageszeitung oder das Auschwitz-Foto zur Veranschaulichung des Bahnchaos in Mainz in einer renommierten überregionalen Zeitung sind Belege dafür. Die Diskussion lebte nicht nur von konträren Bewertungen. Die Vielfalt der genannten Aspekte machte nachdenklich, erweiterte vorhandenes Wissen, ermöglichte die Sicht auf redaktionelle Arbeitsweisen. Es fehle an Zeit und Geld für die Recherche. Die Neugier und Leidenschaft von Journalisten sei aber auch nicht mehr so ausgeprägt. In Pressekonferenzen wird zum Beispiel selten nachgefragt. Die selbstkritische Reflektion, was Journalisten tun und was sie lassen, ist unterentwickelt. Pressemitteilungen dürfen noch immer als Ausgangspunkt für die Recherche genutzt werden. Es gibt eine starke Tendenz, dass sich die Politik einen direkten Zugang zum Nutzer schaffen will. Die Schnelligkeit und Oberflächlichkeit aus dem Onlinebereich drängt in das gedruckte Produkt. Wie lässt sich der Journalismus finanzieren, der für den in der Demokratie notwendigen Meinungsbildungsprozess erforderlich ist? Was macht der Journalismus unzureichend, dass die Akzeptanz beim Nutzer verloren geht? Die aktuelle Diskussion um Native Advertising, also bezahlte Inhalte von Werbekunden in redaktioneller Anmutung, oder zwischen Stefan Niggemeier und dem Tagespiegel. Eigentlich genug Stoff, um die Diskussion fortzusetzen.

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