Mitglied werden

Tag der Pressefreiheit

Über Einheitsbrei und Informantenschutz

04.05.2013

In Gesprächen äußerten Bürger ihre Meinung zur Mediensituation.

"Bei uns in Rheinland-Pfalz ist es genauso wie in Thüringen", lautete die lakonische Bemerkung eines älteren Herrn am Freitag vor dem Anger 1. Dort rührten Journalistinnen und Journalisten Einheitsbrei an, unterstützt von einigen jüngeren Helfern, die einfach nur mantschen wollten. Die Schließung oder Zusammenlegung von Redaktionen stehen als Indizien für die zurückgehende Pressevielfalt in Deutschland ebenso wie der Umstand, dass ca. 60 Prozent der Landkreise Ein-Zeitungs-Kreise sind. In den Gesprächen über die verteilten Flugblätter äußerten die Bürger ihre Unzufriedenheit über die in den Thüringer Zeitungen angebotenen Inhalte. Manche von ihnen lesen schon gar keine Zeitung mehr, andere tragen sich mit dem Gedanken der Abbestellung. Für einen ALG II-Empgänger gibt es noch andere Gründe, keine Zeitung zu lesen. "Erst kommt die Wohnung, dann brauche ich etwas zu essen und dann ist das Geld schon weg." Auf den Stand vor dem Erfurter Einkaufstempel wurden auch ein paar Junggesellinnenabschied feiernde junge Damen aufmerksam. Insbesondere der Chefredakteur hatte es ihnen angetan, der gerade den drei Zeitungstiteln die individuelle Note verpasst hatte. Von der Fußgängerzone ging es ins Augustinerkloster. Dort befassten sich gut 30 Diskussionsteilnehmer mit der Frage "Lauschen erlaubt?" Ja, lautete die lapidare Antwort im Impulsvortrag von Andreas Schiller, der mit zwei Rechtsanwaltskollegen Verfassungsbeschwerde gegen das Polizeiaufgabengesetz (PAG) beim Thüringer Verfassungsgerichtshof eingereicht hatte. Nach dem ja kam das aber. Der Staat habe die Balance zwischen der Freiheit des Individuums und ihrer notwendigen Einschränkung im Interesse der Gefahrenabwehr durch Normenklarheit in den Gesetzen zu wahren. Vor allem daran mangelte es dem PAG, so die Verfassungsrichter, die große Teile als verfassungswidrig einstuften. Dem vorliegenden Gesetzentwurf zur Änderung des PAG bescheinigte Schiller durchaus klarere Regelungen. Dazu zähle allerdings nicht § 41a, mit dem die Akkreditierungspraxis von Journalisten geregelt werden soll. Der DJV-Landesverband Thüringen hatte sich in seiner Stellungnahme vehement gegen die Aufnahme dieses Paragrafen in das Gesetz ausgesprochen. Über die Notwendigkeit und gegebenenfalls den Inhalt von Regelungen zur Akkreditierung führt der DJV mit anderen Medienverbänden und -unternehmen derzeit Gespräche mit der Innenministerkonferenz. Neben einigen Kritikpunkten am Gesetzentwurf hob Schiller die von der Landesregierung aufgegebene Differenzierung von Berufsgeheimnisträgern hervor, zu denen auch Journalistinnen und Journalisten gehören. Besondere Brisanz erhielt die Diskussion durch zwei tagaktuelle Ereignisse. Einerseits stimmte der Bundesrat der Bestandsdatenauskunft im Telekommunikationsgesetz zu. Landesvorsitzende Anita Grasse ging in ihrer Begrüßungsrede darauf ein. Mit der Neuregelung sollen die Polizei, aber auch Geheimdienste und Institutionen wie der Zoll, künftig alle Kommunikationsdaten einsehen können - und zwar nicht erst, wenn ein begründeter Verdacht auf eine Straftat besteht, sondern schon bei vermuteten Ordnungswidrigkeiten und sogar rein präventiv. Selbst Passwörter zu E-Mail-Postfächern und Internet-Speicherdiensten, also der Cloud, sollen Behörden anfordern können. Besonders heikel: Die Abfrage solcher Daten wäre nach dem neuen Gesetz keine Ausnahme, sondern ein alltägliches Ermittlungsinstrument. Die vollständige Rede von Anita Grasse können Sie hier nachlesen. Zum anderen berichtete der MDR über die Kritik des Thüringer Datenschutzbeauftragten Lutz Hasse an der Speicherung von Journalistendaten. In der Akte der Suhler Kriminalpolizei, die gegen einen Polizeibeamten wegen Geheimnisverrats ermittelte, ist unter anderem ein Facebook-Nachricht eines MDR-Journalisten enthalten. Diese Speicherung ist unzulässig, weil nicht durch den Durchsuchungs- und Beschlagnahmebeschluss des Richters gedeckt. Die Kommunikation zwischen Journalisten und Informanten sei wichtiger Bestandteil der Pressefreiheit und unterliege nicht umsonst einem besonderen rechtlichen Schutz, erklärte dazu MDR-Landesfunkhausdirektor Werner Dieste. Das vollständige Flugblatt und die Rede von Anita Grasse können Sie unten nachlesen.

Thüringen