MDR-Staatsvertrag
Stärkung der Rechte von Arbeitnehmern und Freien überfällig
Verwaltungsratsvorsitzende Birgit Diezel, Johannes Blasius von der Thüringer Staatskanzlei und Rundfunkratsmitglied Walter Botschatzki nahmen an der Tagung im Augustinerkloster teil. Foto: Mario Gentzel
Die Novellierung des MDR-Staatsvertrages muss vorangebracht werden. Darüber waren sich die meisten Teilnehmer der gestrigen Tagung schnell einig. Der Änderungsbedarf geht über eine dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum ZDF-Staatsvertrag gemäße Gremienbesetzung weit hinaus. Darüber sind sich auch die Medienausschüsse der drei Landtage im MDR-Sendegebiet einig.Insbesondere die Umsetzung der vom höchsten deutschen Gericht vorgegebenen Bestands- und Entwicklungsgarantie des öffentlich-rechtlichen Rundfunks muss in Angriff genommen werden. Als Stichworte seien die Stärkung der Rechte von Festangestellten und Freien des MDR sowie Regelungen zur Netzneutralität genannt. Auch das Aufbrechen der Sendungsbezogenheit bei den Telemedienangeboten, was Thema des Rundfunkstaatsvertrages ist, sei angesichts des veränderten Nutzerverhaltens von größter Wichtigkeit. Wenn die Inhalte zunehmend zeit- und ortsunabhängig konsumiert werden, darf deren Verbreitung keinen Restriktionen unterliegen.Prof. Bernd Holznagel von der Universität Münster, der von den Veranstaltern (DGB, Beamtenbund und DJV in Thüringen) als externer Sachverständiger eingeladen worden war, sprach über die Entwicklungsperspektiven des öffentlich-rechtlichen Rundfunks und die Herausforderungen für den MDR-Staatsvertrag. Dabei stellte er die moderierende und integrierende Funktion der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten zwischen sich fragmentierenden Öffentlichkeiten heraus. Der Journalismus stehe angesichts der internationalen Auseinandersetzung um Wertevorstellungen vor großen Herausforderungen. Nach seiner Wahrnehmung beschränken sich derzeit zu viele Redaktionen in Print- wie elektronischen Medien auf die Wiedergabe von Äußerungen des neuen amerikanischen Präsidenten. Der Journalismus würde jedoch erst dann seiner Aufgabe gerecht, wenn er diesen Aussagen bisherige Wertevorstellungen gegenüberstellt und mögliche Konsequenzen darstellt. "Unabhängiger Journalismus ist Voraussetzung für eine funktionierende Demokratie. Die durch sorgfältige Recherche entstehende Glaubwürdigkeit des Journalismus ist ein hohes Gut. Dadurch unterscheiden sich journalistische von anderen Informationen, die verbreitet werden. Journalismus ist der Wahrheit verpflichtet und dient der freien individuellen und öffentlichen Meinungsbildung", stellte Ralf Leifer, Geschäftsführer des DJV Thüringen, bewusst an den Anfang seiner Darstellung der gemeinsamen Vorschläge von DGB, Beamtenbund und DJV im Freistaat zur Änderung des MDR-Staatsvertrages. "Wer wie der neue amerikanische Präsident Medien zur eigenen Pressestelle umfunktionieren möchte, greift unser Grundverständnis von Demokratie an." (Rede)In zwei Gesprächsrunden diskutierten Tagungsteilnehmer die Vorschläge der Gewerkschaften. Walter Botschatzki, Chef der Landesgruppe Thüringen im MDR-Rundfunkrat, zweifelt nicht an der Notwendigkeit der Staatsvertragsänderung. Der Gesetzgeber in den drei Staatsvertragsländern müsse endlich tätig werden, lautete das Fazit.Für Rüdiger Trojok von der Freien-Vertretung der MDR-Zentrale in Leipzig ist die Ausweitung des Personalvertretungsrechts auf arbeitnehmerähnliche Freie unumgänglich. Das beim rbb geltende Freien-Statut enthalte gerade einmal vier Mitbestimmungsrechte aus dem Personalvertretungsrecht. Kritik gabe es auch an den Sparvorgaben der KEF (Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs). Weil der Stellenplan des MDR gedeckelt ist, können ca. 400 freie Mitarbeiter/-innen, die technische Tätigkeiten ausüben, nicht festangestellt werden. Der MDR muss das arbeitsrechtliche Risiko tragen, dass Gerichte die Arbeitnehmereigenschaft dieser Beschäftigten feststellen. Loréne Gensel, die im Beirat der Intendantin zur Lösung von Programmkonflikten mitarbeitet, verwies auf die fehlende rechtliche Grundlage im Staatsvertrag zur Arbeit dieses Gremiums. Die Dienstanweisung der Intendantin, in der die Arbeit des Beirats geregelt ist, könne zu jedem Zeitpunkt kassiert werden. Deshalb plädierte sie für den Vorschlag der Gewerkschaften zur Verankerung eines Redaktionsstatuts im Staatsvertrag. Fast drei Jahre nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts wird es Zeit für eine verfassungskonforme Regelung der Gremienbesetzung im MDR-Staatsvertrag. Vor zwei Jahren hatten die Staatskanzleien in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen einen ersten Versuch dazu unternommen. Der politische Wille von Thüringen steht im Koalitionsvertrag. Auch der Landtag in Sachsen-Anhalt hat sich Ende vergangenen Jahres für Verhandlungen der Staatskanzleien zur Novellierung des Staatsvertrages ausgesprochen. Die dortige Landesregierung will nun tätig werden. Und Sachsen?