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Recherchewandertag

Ohne Meiningen kein Hollywood

01.03.2012

Viel Zeit nahm sich Intendant Ansgar Haag, was die Teilnehmer mit intensivem Zuhören quittierten.

Geht es nach dem Intendanten Ansgar Haag, ist das Meininger Theater das Schloss Neuschwanstein des Freistaates. Erbaut von einem diktatorischen Herzog mit kulturell revolutionären Visionen ging es in die Theatergeschichte ein und prägte in moderner Zeit den Satz „Kein Hollywood ohne das Meininger Theater“. Mit diesen einführenden Worten startete am 25. Februar der Recherchewandertag der Jungen Journalisten im Meininger Theater. Ging es im vergangenen Jahr noch in die Natur nach Oberhof auf der Suche nach den ältesten Fichtenbeständen des Freistaates, wurde es in diesem Jahr kulturell. Anlass für den Besuch im Meininger Theater war die aufwendige Grundsanierung und Rekonstruktion des Hauses seit 2008, die Ende 2011 abgeschlossen werden konnte. 23,6 Millionen Euro wurden dafür ausgegeben. Entstanden ist eine Spielstätte nach historischem Vorbild mit modernster Technik – so wie seine Geschichte schon 1831 begann. Herzog Georg II. ließ das Theater in Meiningen errichten und finanzierte es aus rein privaten Mitteln. Denn sein Reich war zwar klein, aber reich. 38 Banken gab es damals in der Stadt, viele Gewinne wurden aus dem Verkauf des Holzes erbracht. Diktatorisch war der Herzog, weil er von den Bürgern zwar keine Steuern für das Theater erhob, aber sie per Befehl zum Besuch zwang. Zudem führte er als Neuheit das Regietheater in Meiningen ein. Die Berufe des Regisseurs und Bühnenbildners wurden hier erfunden. Die hier gebauten Bühnenbilder gingen um die ganze Welt. So wurde Meiningen mit seinem realistischen Theater weltberühmt. Daneben war die Theaterkultur auch immer innovativ. Ohne Rücksicht auf den Geschmack des Publikums ließ Georg II. inszenieren, was ihm gefiel. Klassische und populäre Werke ließ er durch die Regie neu interpretieren, ohne Rücksicht auf die Intentionen der Autoren. Damit war das Meininger Theater schon immer politisch. In dieser Tradition betrachtet auch Ansgar Haag „sein“ Theater. Er lebt, wie er sagt, den dialektischen Widerspruch, will das politische Theater der DDR kombinieren mit massentauglichen Klassikern. „Wir kämpfen gegen den krakenhaften Kapitalismus“, beschreibt Haag den Widerspruch, sei er doch angewiesen auf ein großes, zahlendes Publikum. Mit der zensierenden Hand der Dramaturgie werden in Meiningen Klassiker wie Wagner, Schiller und Goethe nicht neu interpretiert, aber doch kritisch nuanciert und dank der modernen Technik mit neuen Bedeutungen und Möglichkeiten belegt. Den Spagat zwischen dem Ringen um das Publikum und einem anspruchsvollen Programm, das nicht in der Beliebigkeit versinkt, beschrieb Haag pointiert: Wir kämpfen um den Kanon, damit man weiß, wo das politische Denken herkommt. Ohne den Kanon herrscht Langeweile und Untergang. Gleichzeitig muss das Regietheater wieder seine heilige Bedeutung als eine Art Religion erlangen. Dazu gehört die Zensur. Der Dramaturg gibt einem Stück Gestalt und Form. Er muss politisch und kritisch denken. Das kommt an beim Publikum, das sich aus drei verschiedenen Gruppen zusammensetzt. Da gibt es die Abonnenten, hauptsächlich Franken und Bayern, die das klassische Repertoire wollen. Das lokale Publikum setzt sich aus den Meiningern und dem Umland zusammen und will ein breites Angebot mit viel Abwechslung. Schließlich sind da noch die Touristen, die über Reiseunternehmen sehr selektiv entscheiden. Sie wollen lokale Größen. „Wir sind umgeben von Wald, da kommt der Freischütz immer gut an. Wenn wir hier Wagner spielen, dann so, als ob er hier gelebt hätte“, spitzt Haag die dritte Gruppe zu. So inspiriert vom Regietheater führten Pressesprecher Folkert Streich und Öffentlichkeitsarbeiterin Brigitte Zugmaier die 13-köpfige Gruppe an Journalisten durch das Haus und auch hinter die Bühne. Sie durften in den Garderoben schnüffeln, entdeckten die Requisiten und spürten den Details des nach historischem Vorbild erbauten Hauses nach. Mit dem so entstandenen Gefühl für das Meininger Theater klang der Tag bei der Aufführung von Schillers „Jungfrau von Orleans“ aus. Ein Klassiker, stark und politisch inszeniert, mit durchaus humoristischen Auflockerungen. Sehr gelungen befanden die Teilnehmer des Wandertages. Im nächsten Jahr wird es übrigens dann rasant. Geplant ist ein Ausflug zum Fahrsicherheitstraining. Interesse kann beim Fachausschuss Junge Journalisten schon einmal bekundet werden. Doreen Zander 

Thüringen