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Sebastian Scholz kommentiert

All eyes on thuringia

06.02.2020

Sebastian Scholz, Geschäftsführer des DJV Thüringen

Selten war Thüringen so omnipräsent in den bundesweiten Medien wie in der 6. Kalenderwoche 2020. Die mit Spannung erwartete Wahl des neuen Ministerpräsidenten ging anders aus als allgemein prognostiziert, hatte aber nur eine Halbwertzeit von wenigen Stunden. Nun bleibt abzuwarten, wie sich das Parlament verhält: ob es seiner Selbstauflösung zustimmt oder einen neuen Regierungschef wählt.

Mit welcher politischen Richtung man auch immer sympathisieren mag – der Demokratie hat die FDP, hat Thomas Kemmerich, einen Bärendienst erwiesen. Es ist kaum anzunehmen, dass mit der Entscheidung, im 3. Wahlgang zu kandidieren, nicht auch die Option überlegt wurde, was man tut, wenn die AfD plötzlich für den FDP-Kandidaten stimmt – so wie geschehen. Daher ist es unverständlich, warum man die Wahl dann erst annimmt, um später in Aussicht zu stellen, das Amt wieder niederzulegen. Und dies dann, noch etwas später, auch vollzieht.

Natürlich hätte es der DJV Thüringen nicht begrüßen können, wenn eine Partei – und sei es auch nur mittelbar – in Thüringen die Machtverhältnisse bestimmt, von deren Seite unsere Kolleginnen und Kollegen immer wieder Anfeindungen und Angriffen ausgesetzt sind. „Lügenpresse“, „links-grün-versiffte Systemmedien“, JournalistInnen mit Mistgabeln aus den Redaktionen jagen – diese Verunglimpfungen und Drohungen stammen von der AfD. Unabhängiger und kritischer Journalismus wäre in Thüringen zumindest erschwert worden, wenn diese Partei wie auch immer Zugriff auf politische Entscheidungen bekommen hätte, davon sind wir überzeugt.

Gleichwohl ist die AfD wahrscheinlich die einzige Nutznießerin dieser 6. Kalenderwoche des Jahres 2020. Denn einerseits hatte sie einem Kandidaten der bürgerlichen Mitte zum Regierungsamt verholfen und so, nach ihrem Verständnis, „staatspolitische Verantwortung“ übernommen. Andererseits kann sie jetzt wieder das Narrativ von den „etablierten Altparteien“ nähren, welche die Prinzipien der Demokratie missachten. Diese Nutznießerschaft wird sich voraussichtlich auch im Ergebnis einer eventuellen Neuwahl niederschlagen.

Dennoch: Der Schritt von Thomas Kemmerich war richtig. Auch wenn man sich vielleicht gewünscht hätte, dass er die Wahl von vornherein gar nicht erst angenommen hätte.

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